Hier sitze ich nun. Es ist ein wunderschöner herbstlicher Oktobertag.

Mit vollen Einkaufstüten und müden Beinen habe ich mich in eines der kleinen Cafés meiner Heimatstadt, etwas abseits der geschäftigen Innenstadt an einem freien Tisch auf den daneben stehenden etwas wackligen Stuhl fallen lassen.         


 


Einen kleinen Moment später kommt eine freundlich blickende kleine Frau mit einer weißen Spitzenschütze an meinen Tisch. "Guten Tag, darf ich Ihnen etwas bringen? Vielleicht einen Kaffee und ein Stück Kuchen?

Ich kann heute den gedeckten Apfelkuchen empfehlen. Mit Vanillecreme – mit oder ohne Sahne!"  Ich blicke sie lächelnd an. "Ja, sehr gerne. Ich hätte gerne einen Tee mit Zucker. Und für mich Apfelkuchen, aber keine Sahne."

Mit einem "Kommt sofort!", ist die Kellnerin auch schon wieder weg.


Mein Puls wird ruhiger und und während ich auf meinen Tee und den Kuchen warte, hänge ich meinen Gedanken nach. Ich sehe die Menschen, welche vorübergehen, und blicke in ihre Gesichter. Hinter jedem dieser Gesichter steckt eine Geschichte!
Einige wenige nehmen sich die Zeit für einen Moment der Ruhe hier im Café. Andere stehen auch schon wieder auf, um weiter zu eilen, vielleicht um ihre Besorgungen zu erledigen. Und ich fange an, die mir fremden Menschen um mich herum zu studieren. Heimlich versuche ich sie und ihre Eigenheiten zu erforschen.


 

Zum Beispiel, dort die alte Dame - Ihr Leben, welches meiner Einschätzung nach wohl schon über 70 Jahre währte, hinliess seine Spuren.

Ihr Gesicht ist schmal und faltig, ihre Hände fleckig und ein wenig zitterig.  Auf den ersten Blick wirkt sie unsicher, doch schaut man dann genauer hin - in ihren Augen blitzt es. Sie thront geradezu auf ihrem Stuhl, was sicherlich auch daran liegt, das sie auf zwei Kissen statt einem sitzt. Ihr weißes Haar trägt sie wie ein Krone, und beobachtet man sie eine Weile, so strahlt ihre Erscheinung Würde und Stolz aus.


Sorgfältig, fast kleinlich, isst sie zuerst die Sahne von ihrem Apfelkuchen, wie ein Kostbarkeit. Dabei läßt sie diese mit einem genüsslichen Lächeln im Mund zerschmelzen.
Doch dann plötzlich fängt sie an zu nörgeln wie ein Kind, und meint, dass der Kuchen so trocken sei und früher alles besser geschmeckt hat. Die Menschen um sie herum, schauen nach ihr und viele lächeln. Vielleicht erinnern sie sich an "ihre alte Dame".  

Und was tut die Kellnerin, die nun von ihr herangerufen wird?

Sie hört ihr geduldig zu, nickt ein paar Mal, lächelt und geht dann eiligen Schrittes zu der kuchenbeladene Theke des Cafes. Nur einen kleinen Moment später kommt sie mit einer kleinen Schüssel voll Extra-Sahne zurück zum Tisch der alten Dame. Und als diese über das ganze Gesicht strahlt, scheint das kleine Cafe leuchtet ein wenig heller.

Dort, nur ein paar Tische weiter, sitzt ein junger Mann mit hochrotem Kopf und starrt auf die Tischdecke vor sich. Ein hübsches junges Mädchen hat sich gerade zu ihm an den Tisch gesetzt. Anscheinend wagt er es nicht in ihre Augen zu sehen und ist nicht fähig, irgendetwas zu ihr zu sagen. Sie aber blickt ihn an und scheint nur auf ein kleines Zeichen seinerseits zu warten. Doch er schaut sie nicht an und bleibt stumm. Wenn er sich doch ein Ruck geben könnte, bevor sie wieder aufsteht und in der Anonymität der Menge verschwindet. Vielleicht ist es dieser Augenblick, der sein ganzes Leben verändern könnte. Vielleicht geht es dem Mädchen genauso wie ihm. "Los, ihr beiden", denke ich, "lasst diesen Moment nicht einfach so verfliegen".

Die Kellnerin, sie steht wieder dort in der Ecke und beobachtet die Tische mit den Gäste des kleinen Cafes. Vielleicht steht ja jemand auf. Möchte jemand noch etwas? Gibt es etwas abzuräumen? Hat sie bei allen, die wieder weiter wollen, abkassiert?

Diese Geschwätzigkeit und Hektik!. Und doch liegt eine seltsame packende Ruhe im Fluidum dieses Ortes. Diese Mischung findet man nicht oft in dieser Zeit. Sie, diese Stimmung, die sich so unvergleichbar im Gedächtnis festhaftet und die zum Nachdenken anregt.
Diese Aura genieße ich an diesem Nachmittag. Noch lange sitze ich dort, entdecke neue Eigenheiten, beobachte neue Begebenheiten.

Wäre es nicht schön, wenn das Leben in einer solchen Atmosphäre stattfinden würde?
Aber bedenkt dabei: Nicht nur den Anderen beim Leben zuschauen, sondern auch selber leben!

„Taumeln, aber nicht fallen.. als Zweck des Vergessens.. das beruhigende Gefühl, das alles seinen Ursprung hat."

persönliche Anmerkung:
In meiner Heimatstadt, Uni- und Fahrradstadt, gibt es viele dieser Orte zum Verweilen und zum "Abschalten", nicht nur Cafés. Da ist es beziehungsweise war es naheliegend, von einem solchen Moment an einem dieser Orte zu schreiben.


 

 

 

 

Wäre es nicht schön, wenn das Leben in solch einer Atmosphäre stattfinden würde.

 

 

 

 

 

Aber...bedenkt dabei...nicht nur den Anderen beim Leben zuschauen...auch selber leben !

 

 

 

 

 

„Taumeln, aber nicht fallen.. als Zweck des Vergessens.. das beruhigende Gefühl, das alles seinen Ursprung hat."

 


 

 

 

 

 

 

 

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